Das neben der Ukraine zweite Gastgeberland der Fußball-EM, Polen, hat sich bisher nicht zu den Forderungen nach einem Boykott der Fußballspiele in der Ukraine geäußert. Polnische Politiker und Funktionäre halten sich vermutlich mit Kritik zurück, um nicht selbst zum Ziel für verbale Angriffe zu werden. Die Boykott-Forderungen kamen auf, nachdem die umstrittene Verhaftung und die wiederholt beanstandeten schlechten Haftbedingungen der ehemaligen Regierungschefin der Ukraine, Julija Timoschenko, bekannt geworden waren. Zwar wird das Schicksal der Inhaftierten Oppositionsführerin auch in Polen verfolgt und schon mehrfach bei Gesprächen mit der ukrainischen Regierung angeschnitten, aber Polen hat seit Beginn der Entscheidung über die EM-Austragungsorte betont, dass die Europameisterschaft eine gemeinsame Veranstaltung beider Länder sei. Nur sechs Wochen vor Beginn der EM würde Polen die bisherigen Aussagen nur ungern revidieren. Dem entsprechend rief der polnische Parlamentarier Pawel Kowal in einem Interview mit der „Gazeta Prawna“ die Europaparlamentarier zu „vernünftigen Reaktionen“ auf. Kowal: „Die EM ist eine gemeinsame Veranstaltung Polens und der Ukraine, und sie sollte bestmöglich verlaufen. Es geht um die ganze ukrainische Gesellschaft, nicht um die eine oder andere Regierung.“
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Politiker fordern EM-Boykott in der Ukraine
Aufgrund der politischen Situation in der Ukraine mehren sich die Forderungen nach einem Boykott der Fußball-EM. Inzwischen riefen auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Politiker Tom Koenigs dazu auf, nachdem es erneut Klagen über die Haftbedingungen der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin, Julia Timoschenko, gab. „Politiker müssen aufpassen, dass sie nicht zu Claqueuren des Regimes werden“, erklärte Sigmar Gabriel in einem Interview gegenüber der „Bild am Sonntag“. Im Bundestag riet Tom Koenigs, der als Menschenrechtspolitiker bei den Grünen arbeitet, dass sich die deutschen Fußballfans die in der Ukraine stattfindenden Spiele lieber im Fernsehen ansehen sollten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hält diese Reaktion für übertrieben, forderte aber auch die Sportler und Sportfunktionäre dazu auf, nicht nur „hinter verschlossenen Türen“ für mehr Menschenrechte zu stimmen. Julia Timoschenko selbst hofft das es keinen Boykott der EM-Spiele geben wird. Dadurch würden vor allem die Sportler und Fans bestraft. Außerdem sieht sie dieses Ereignis als ein wichtiges Symbol für die Integration der Ukraine in die EU. Die Anklage gegen die frühere Regierungschefin, wegen angeblicher Veruntreuung und Steuerflucht, ist stark umstritten.
EM 2012: Rassismus beim Fußball
Seit dem Zuschlag als Gastgeberländer für die Fußball-EM, stehen Polen und die Ukraine auch gesellschaftlich im Fokus. Im Hinblick auf zu erwartende Probleme wird besonders das Fan-Verhalten in beiden Ländern kritisch unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich, dass Fremdenfeindlichkeit ein normaler Bestandteil der Fanszene in Polen und der Ukraine ist. Immer wieder kommt es zu rassistisch motivierten Angriffen vor, während und nach den Spielen. Der polnische Sozialwissenschaftler und „Never-Again“-Aktivist Rafal Pankowski bemüht sich seit Jahren durch Veröffentlichung der Vorkommnisse und durch Workshops dagegen anzugehen. So versucht er bei Schulungen Jugendliche für diskriminierende und rassistische Sprache zu sensibilisieren und ihnen die Folgen fehlenden Verständnisses klar zu machen. Arbeit wie diese ist auch dringend nötig. Allein in Polen kommt es fast jede Woche bei Fußballfans zu rassistischen Vorfällen. Pankowski: „Leider sind Fangruppen einzelner Vereine meist eher rechts. Einige Fanvereinigungen der größten polnischen Clubs sind sogar sehr stark rechts orientiert. Am 11. November letzten Jahres, dem polnischen Unabhängigkeitstag, unterstützten einige Fangruppen den Marsch der Rechtsextremisten durch Warschau. Es gibt aber auch positive Beispiele wie Arsenal Kiew, einen Erstligisten, dessen Fans stark antirassistisch engagiert sind. Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel.“ Er hofft, dass die Europameisterschaft einen positiven Einfluss auf die Szene haben wird, der über die Zeit der Spiele hinaus geht. So wurden für die EM rund 7000 Helfer ausgebildet, die auch darauf geschult sind, diskriminierende Tendenzen rechtzeitig zu erkennen und einzugreifen. Pankowski hofft, dass viele dieser temporären Mitarbeiter sich auch nach der EM in Vereinen engagieren und als Vereinsmitglieder oder einfacher Fan einen positiven Einfluss auf andere ausüben werden.

Platini will vereinfachte Visa-Regel zur Fußball-EM
Der UEFA-Präsident, Michael Platini, hat während eines Treffens mit dem russischen Ministerpräsident, Wladimir Putin in St. Petersburg, die beiden Gastgeber-Länder der diesjährigen Fußball-EM, Polen und die Ukraine aufgefordert, für die Zeit der Fußballmeisterschaft leichtere Visa-Regeln einzuführen. Platini: „Wir brauchen irgendeine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Polen, um Probleme für die Fans zu vermeiden.“ Unterstützt von ukrainischen Fußballfans und der russischen Regierung, sollen die Einreisebedingungen für Gäste in die Ukraine erleichtert werden. Dies betrifft besonders Fußballfans aus Kroatien, die als einzige Europäer vor der Einreise noch ein Visum für die Ukraine beantragen müssen. Noch immer gibt es, trotz der bereitstehenden Infrastruktur, organisatorische Probleme, die gelöst werden müssen. Platini hob besonders lobend die 2008 beim Champions-League-Finale zwischen dem FC Chelsea und Manchester United in Moskau vereinbarte Visaregelung hervor, nach der die Fans allein gegen die Vorlage ihrer Eintrittskarte für das Stadion, drei Tage Aufenthaltsrecht in Russland bekamen.
Auch an die polnische Regierung wandte sich der UEFA-Präsident mit der Bitte um Mithilfe. Platini: „Natürlich wären wir unseren polnischen Freunden sehr dankbar, wenn sie das für unsere Fans während der EM genauso handhaben würden.“